
Über ein nostalgisches Verständnis von Authentizität
Die theoretische Arbeit fokussiert sich auf eine queerfeministische Kritik an der Genie-Ideologie im neoliberalen Ideal der Selbstverwirklichung. Verkürzt habe ich anhand von Texten von Ève Chiapello den Zusammenhang zwischen dem essentialistischen Subjektverständnis der Geniefigur, beziehungsweise die Dominanz, die von genialen Eindeutigkeitsbehauptungen aus- geht, und die Unterdrückungs- und Diskriminierungsmechanismen in neoliberalen Strukturen untersucht. Dabei wird deutlich, dass die Erzählung einer negativen Freiheit, die dem Genie anhaftet, falsch vom Sozialen abstrahiert und damit bestehende Herrschaftsverhältnisse stabilisiert. Zudem lässt sich eine künstlerische Tradition verteidigen, die kritische künstlerische Praxis mit Sozialkritik zusammendenkt. Die damit verbundene künstlerische Arbeit bildet einen Resonanzraum, in dem ich mein Unbehagen gemeinsam mit neun Kolleg_innen rückkoppeln konnte. Ich stieß eine gemeinsame Auseinandersetzung um die jeweiligen Selbstverständnisse als Berufs-Künstler_in und Fotograf_in an und lud meine Gegenüber ein, fotografisch über ihre eigene Performanz als Künstler_in zu reflektieren. Dazu entstand ein lyrischer Text aus collagierten Fragmenten der von mir geführten und transkribierten Gespräche.
Ich seh’ kein Außen
Während meiner Auseinandersetzung mit dem Diskurs um Dispositive der Selbstverwirklichung und dem Begriff des Authentischen begann ich diese Erzählungen anhand queer- feministischer Theorien und intersektionaler Kritik zu kontextualisieren.
Dreh- und Angelpunkt war die Figur des / der Künstler_in und die Frage danach, wie die damit verbundene Vorstellung von Identität und dem dazugehörigen Lebensentwurf in der Gesellschaft funktionalisiert werden. Ich beobachtete, dass meine eigene Vorstellung eines authentischen Lebens zunehmend in eine Effizienzanforderung eskalierte, und ich begann meinem angestrebten Beruf als Künstler_in gegenüber ein Unbehagen zu entwickeln.
Um mir dieses Unbehagen anzueignen, habe ich meine praktische und theoretische Abschlussarbeit eng miteinander verwoben.