Thao Eder
Kunst ❷❷
Diplom Theorie

MICKEY IN DER MUSCHEL

Intermedialität bei Mizoguchi Kenji

I’m Venus lautet die Phrase aus dem Film, der den Anstoß für die Arbeit gab. Warum stellt Mizoguchi Kenji in Akasen Chitai (dt. Die Straße der Schande, engl. Street of Shame, Japan: Daiei Film, 1956), seinem letzten Film, die Referenz zur Venus, genauer zu Sandro Botticellis Werk Geburt der Venus (1482–1485), her? Ist es ein Zeichen der Ehrerbietung oder eine im Film beliebte Praxis der Anlehnung und Reaktion auf vorangegangene Künste? Kann anhand der Filmhandlung Intermedialität thematisiert werden und in welchen weiteren Sequenzen taucht diese auf und in welcher Form?

Bereits Mitte des 16. Jahrhunderts siedelten die ersten Europäer in Japan an. Wie kam Venus nach Japan? Was verkörpert sie in einem Bordell in Tokyos Rotlichtviertel Yoshiwara? Ist Mizoguchi Kenji ein feministischer Filmemacher, für welches Publikum ist dieser Film gemacht?

Deutscher und englischer Filmtitel sind in dem Sinne deckungsgleich, da beide beim Lesen und Hören ein visuelles Bild zeichnen, welches wir individuell als bekannt empfinden. In diesem assoziativen Anflug treffen Stereotypisierungen und Halb- bzw. Unwissen aufeinander. Durch die Bildreferenz zu Botticellis Venus ist Scham der Begriff und gemeinsame Nenner im Film und in der Malerei.

Kunstgeschichte
Prof. Dr. Christian Janecke
Diplom Praxis

NÔM NARRATIVE

Ausgangspunkt der Arbeit war das Epos Đoạn trường tân thanh von Nguyễn Du, das ursprünglich in der Nôm-Schrift1 verfasst wurde. Daher der Arbeitstitel NÔM NARRATIVE. Irene und Franz Faber übersetzten das Epos unter dem Titel Das Mädchen Kiêu (1964) ins Deutsche. Mich interessierte die Darstellung von Frauen in der Literatur in der Umbruchszeit von Feudalgesellschaft zur Moderne.2

Wo sind konfuzianistische Werte noch verwoben? Sind alte Gedichtformen und Bilder in der heutigen vietnamesischen Gesellschaft noch vorzufinden? Aus welcher Position recherchiere, betrachte und interpretiere ich Literatur und Theater? Durch das Aufwachsen in Deutschland betrachte und verhandle ich Dinge und Themen aus einer europäischen Perspektive. Die Gespräche mit Akteur_innen aus Musik, Theater und Kunsthandwerk in Vietnam ermöglichten mir, andere Perspektiven einzunehmen.

Das Buch mit Fotografien zum vietnamesischen Theater um 1973 in Hà Nội von Nguyễn Đình Quang begleitete meine Begegnungen mit den Akteur_innen Cao Hồng Ninh, Tô Văn Kỳ, Trương Nguyên Ngã, Bùi Quý Phong und den Bühnenkünstler_innen im Altersheim für Künstler_innen in TP Hồ Chí Minh. Meine Gespräche konzentrierten sich auf die Theaterform Tuồng in Zentralvietnam sowie die Differenzierung von Musik in den verschiedenen Regionen in Vietnam (Nord, Zentral, Süd).

1    Chữ Nôm ist ein Schriftsystem, das um das 10. Jahrhundert entstand. Es basiert auf chinesischen Schriftzeichen, welche die vietnamesische Sprache wiedergeben. Aufgrund der Komplexität und um die Alphabetisierung der Bevölkerung zu fördern, wurde Quốc Ngữ etabliert, das heutige Schriftsystem in Vietnam.
2    Kiêu ist nicht die einzige Frauenfigur in der Weltliteratur, die biografisch eine Abwärtsspirale durchlebt. Die Parallelen zu Grisette (Les Misérables, Victor Hugo, 1862) und Oharu (Kōshoku Ichidai Onna, Ihara Saikaku, 1686) macht sie meiner Meinung nach zu Verbündeten. Sie alle zeichnen ein Fragment der Gesellschaft.
HD-Video: 19:08 Minuten, 2022 • Filmstill: Cao Hồng Ninh (Nôm Narrative, 2022)
Elektronische Medien • Film
Prof. Alexander Oppermann • Prof. Dr. Marie-Hélène Gutberlet