Das Groteske bei Jenny Saville
Meine theoretische Diplomarbeit habe ich der Motivik des Grotesken in den Arbeiten der Malerin Jenny Saville gewidmet. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich mit der Problemstellung der ästhetischen Repräsentation des weiblichen Körpers in der westlich zentrierten Kunstgeschichte. Sie hinterfragt die Schönheitsnormen, insbesondere eine kulturelle Abneigung gegen das Korpulente und thematisiert dies anhand der Tradition des weiblichen Akts. Während meiner Recherche zu Jenny Savilles Arbeiten und der Suche nach einer möglichen ästhetischen Kategorie, die ihre Körperdarstellung beschreibt, bin ich auf die Theorie von Michail Bachtin gestoßen. Er konstruiert die These des grotesken und des klassischen Körpers. Der groteske Körper definiert sich dabei durch Übertreibung, Übermaß und Überfluss – und durch die Ambivalenz von Positivem und Negativem, die er in sich trägt. Damit bildet er einen Gegenentwurf zum klassischen Körper, den Bachtin als fest geschlossen mit einer glatten Oberfläche beschreibt. Das Groteske kann dabei als Protestform gegen ein normatives Körperbild gedeutet werden, aber auch gegen Institutionen und Mechanismen, die diese erzeugen.
Grotesque Transformation
In meiner praktischen Diplomarbeit setze ich mich mit Schönheitsidealen der westlich zentrierten Gesellschaft auseinander. Dazu untersuche ich die Tuchmaske. Dies ist ein Produkt, das auf das Gesicht gelegt wird und dort laut Produktbeschreibung durch verschiedene Seren, die enthalten sind, der Gesichtshaut Feuchtigkeit spenden und damit gegen die Hautalterung wirken soll.
Während der Verwendung der Tuchmaske sieht es so aus, als ob Mensch und Produkt eine Verbindung eingehen und es kommt zur Entstehung eines Chimären-ähnlichen Wesens. Das Auflegen der Tuchmaske führt zum Verdecken der menschlichen Züge, damit scheint das, was unter der Haut liegt, hervorzukommen: das weiße Tuch mit seinen Aussparungen an Mund, Nase und Augen erinnert an einen Totenschädel. Es entsteht somit ein groteskes Moment der Gleichzeitigkeit von Leben und Tod, das im krassen Gegensatz zu der versprochenen Verjüngung durch das Produkt steht. Dieses Moment der Transformation enttarnt das Produkt und in meinen Augen somit das gesamte Konstrukt des wahnhaften Jugendkultes und besitzt subversives Potenzial.